Der Strom kommt aus der Steckdose – das ist heute noch genauso wie früher. Ansonsten aber ist in unserem Energiesystem fast nichts mehr, wie es einmal war. Noch Ende des 20. Jahrhunderts war die Stromversorgung eine recht überschaubare Sache: Wenige große Kraftwerke produzierten die Energie. Vom Hoch- über das Mittel- und das Niederspannungsnetz wurde es in Haushalte und Unternehmen transportiert. 

Heute speisen auch Tausende Windkraft- und Millionen Photovoltaikanlagen Strom ins Netz ein – und zwar mal mehr, mal weniger. Zudem sind viele Verbraucher gleichzeitig Erzeuger, etwa der Maschinenbaubetrieb mit einer Solaranlage auf dem Dach. Und: Aus Gründen des Klimaschutzes werden an vielen Stellen Öl und Gas durch Strom ersetzt, etwa beim Auto und beim Heizen. Durch die Netze müssen daher immer größere Strommengen fließen.

„Das gesamte System ist im Umbruch“, sagt Thomas Sturm, Abteilungsleiter Betrieb Elektrische Energieversorgung bei den Stadtwerken Witten. „Energiewende, Wärmewende und Verkehrswende beanspruchen unsere Netze ganz anders als noch vor einigen Jahren.“

Stromnetze ausbauen und digitalisieren

Für die Stadtwerke, die in Witten das Mittel- und Niederspannungsnetz verantworten, bedeutet das: Es gibt eine Menge zu tun. Das Unternehmen investiert in den kommenden Jahren viel Geld und setzt vor allem an zwei Punkten an: Netzausbau und Netzdigitalisierung. „Gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal haben wir 2021 eine Zielnetzplanung gemacht“, erläutert Thomas Sturm. „Dabei wurde deutlich: Der Handlungsbedarf ist groß. Wir müssen die Leistung unserer Stromnetze in den nächsten Jahren ganz erheblich steigern – je nach Szenario möglicherweise sogar verdreifachen.“

Deshalb ersetzen die Stadtwerke zum Beispiel schon seit längerem vielerorts die bisherigen Leitungen im Boden durch dickere Kabel, die mehr Strom transportieren können. Auch leistungsstärkere Transformatoren (Trafos) kommen immer häufiger zum Einsatz.

Doch die Netze und die Trafos müssen nicht nur leistungsstärker werden, sondern auch intelligenter. Denn neben dem Ausbau steht auch die zunehmende Digitalisierung des Netzes an. „Immer mehr Einspeiser und Verbraucher und stärker schwankende Strommengen, die abgenommen und eingespeist werden – all das müssen wir künftig managen“, so Thomas Sturm. „Um das Netz jederzeit in Balance zu halten, brauchen wir große Mengen an Daten, die uns das Geschehen transparent machen.“ Diese Daten erhalten die Stadtwerke zum Beispiel aus den intelligenten Stromzählern, die in Haushalten und Unternehmen nach und nach die analogen Zähler ersetzen.

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Smarte Trafostationen verhindern Stromausfälle

Neben diesen Smart Metern spielen außerdem digitale Ortnetzstationen eine wichtige Rolle. Deshalb werden die 460 alten Trafostationen in Witten nun nach und nach digital „getunt“: mit intelligenter Messtechnik und mit Schaltmöglichkeiten, die es den Stadtwerken ermöglichen, aus der Ferne auf unvorhergesehene Ereignisse mit Umschaltmaßnahmen zu reagieren. Auf diese Weise können nicht nur Störungen schnell behoben werden, ohne dass ein Techniker rausfahren muss. Weil die Leitstelle in Echtzeit Informationen zu den Energieflüssen erhält, können die Stadtwerke eine drohende Überlastung des Netzes in vielen Fällen sogar im Vorfeld erkennen und verhindern.

Die Anforderungen an das Netz wachsen schnell. „Uns hilft momentan, dass die Stromnetze in der Vergangenheit mit einer deutlichen Reserve für künftige Anforderungen dimensioniert wurden“, erläutert Sturm. „Netzüberlastung war ein seltenes Thema. Doch für die Zukunft setzt die Mobilitäts- und Wärmewende völlig neue Parameter. Wir müssen unsere Netze monitoren und jederzeit wissen, was los ist, um entsprechend agieren zu können.“

„Ein ganz neues Netz“

Angesichts der gewaltigen Leistungszuwächse reichen die bisherigen Puffer nicht mehr aus. Dank der zunehmend erhobenen Daten lassen sich die Netze nun künftig sehr viel realitätsnäher planen. Ein großer Vorteil, denn die Schaffung neuer Netzkapazitäten kostet viel Geld – und das schlägt sich am Ende im Strompreis nieder.

„Tatsache ist“, so Sturm, „dass wir am Ende ein ganz neues Netz haben werden.“ Nur, dass die Kunden vom großen Umbau hinter den Kulissen möglichst gar nichts mitbekommen sollen. Denn: „Für unsere Kunden zählt vor allem, dass die Stromversorgung weiterhin so verlässlich funktioniert wie immer. Unser Job ist es, das reibungslos sicherzustellen. Wir widmen uns dieser Aufgabe mit großem Engagement.“ Damit der Strom auch in Zukunft ganz selbstverständlich aus der Steckdose kommt.“